Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) sind das rechtliche Rückgrat jeder Online-Plattform. Sie sind weit mehr als nur juristisches Beiwerk – sie definieren die Spielregeln, schaffen Vertrauen und minimieren Risiken. Besonders bei C2P2B-Marktplätzen (Customer-to-Platform-to-Business), auf denen gewerbliche Nutzer ihre Produkte und Dienstleistungen anderen Unternehmen oder Endkunden anbieten, sind die Anforderungen durch EU-Regulierungen wie die P2B-Verordnung und den Digital Services Act (DSA) enorm gestiegen.
Dieser Leitfaden zeigt Ihnen, worauf Sie bei der Erstellung Ihrer Plattform-AGB achten müssen, welche Klauseln unerlässlich sind und wie Sie die neuen Transparenzpflichten meistern. Wir gehen davon aus, dass sich Ihre Plattform nur an Unternehmen und nicht an Verbraucher richtet.
Die ersten Klauseln Ihrer AGB legen den Grundstein für die gesamte Geschäftsbeziehung.
Worauf Sie achten müssen:
Klarer Adressatenkreis: Definieren Sie unmissverständlich, wer Ihre Plattform nutzen darf. Richten Sie sich ausschließlich an Unternehmer (B2B) oder auch an Verbraucher (B2C)? Diese Abgrenzung ist fundamental, da sie weitreichende Konsequenzen für die Anwendbarkeit von Verbraucherschutzgesetzen hat. Bei reinen B2B-Plattformen getlen verbraucherschutzrechtliche Pflichten für den Nutzungsvertrag zwischen Ihnen und dem gewerblichen Nutzer nicht. Vorischt bei Dual-Use, also wenn die Plattform auch für Verbraucher nutzbar ist.
Transparenter Vertragsschluss: Beschreiben Sie präzise, wie der Nutzungsvertrag zwischen Ihrer Plattform und dem gewerblichen Nutzer zustande kommt. Ist eine einfache Registrierung ausreichend oder gibt es einen expliziten Zulassungsprozess (z.B. durch Antrag und Bestätigung)? Ein Zulassungsprozess gibt Ihnen mehr Kontrolle darüber, wer auf Ihrem Marktplatz aktiv wird.
Rechtssichere Änderungsklauseln: Eine große juristische Hürde ist die Änderung bestehender AGB. Die früher übliche Praxis, dass Schweigen als Zustimmung gilt ("Zustimmungsfiktion"), ist nach aktueller Rechtsprechung des BGH nur noch in sehr engen Grenzen zulässig.
Praxis-Tipp: Aktive Zustimmung einholen Gehen Sie auf Nummer sicher und implementieren Sie einen Prozess zur aktiven Zustimmung bei wesentlichen AGB-Änderungen. Ein Pop-up-Fenster, das vor der weiteren Nutzung der Plattform eine Bestätigung per Klick auf einen "Ich stimme zu"-Button erfordert, ist heute die sicherste Lösung. Sitmmt ein Kunde trotz mehrmaliger Aufforderung nicht zu, bleibt Ihnen die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung.
Checkliste: Grundlagen & Zulassung
Zielgruppe klar definiert? (z.B. "Nutzung nur für Unternehmen")
Vertragsschluss-Prozess nachvollziehbar beschrieben? (z.B. Antrag -> Prüfung -> Zulassung)
Vergütungsmodell transparent gemacht? (z.B. klarer Verweis auf eine separate, leicht auffindbare Preisliste)
Pflichtangaben für die Registrierung festgelegt? (z.B. Firma, Handelsregisternummer, Ansprechpartner)
Rechtssicherer Prozess für AGB-Änderungen vorgesehen? (Ideal: aktive Zustimmunng.
Dieser Abschnitt beschreibt Ihre Dienstleistung und klärt die Rollenverteilung – eine der wichtigsten Aufgaben Ihrer AGB.
Worauf Sie achten müssen:
Präzise Leistungsbeschreibung: Definieren Sie genau, welche Funktionen Ihre Plattform bietet (z.B. Infrastruktur für Auktionen, Nachrichtensystem, Transaktionsverwaltung). Geben Sie auch Service-Level-Versprechen an, wie z.B. eine garantierte Mindestverfügbarkeit (Uptime) im Jahresmittel.
Regeln für Nebenleistungen (P2B-VO, Art. 6): Die P2B-Verordnung verpflichtet Sie zur Transparenz. Ihre AGB müssen Auskunft darüber geben, ob Sie als Betreiber (oder Dritte) den Kunden Ihrer Nutzer zusätzliche Nebenwaren oder -dienstleistungen (z.B. Versicherungen, Reparaturdienste, Premium-Features) anbieten. Ebenso müssen Sie festlegen, ob und unter welchen Bedingungen Ihre gewerblichen Nutzer selbst solche Nebenleistungen anbieten dürfen.
Mechanismus zum Vertragsschluss auf der Plattform: Klären Sie, wie Verträge zwischen den Nutzern zustande kommen. Handelt es sich bei einem eingestellten Produkt um ein verbindliches Angebot oder nur um eine "Aufforderung zur Abgabe von Angeboten" (invitatio ad offerendum)? Letzteres ist für Marktplätze die Regel und schützt den Verkäufer vor ungewollten Vertragsabschlüssen.
Haftungsausschluss für Nutzerverträge: Dies ist eine wichtige Klausel. Stellen Sie heraus, dass Ihre Plattform nur als Vermittler (Intermediär) agiert und nicht Vertragspartei der zwischen den Nutzern geschlossenen Verträge wird. Schließen Sie konsequent die Haftung für die Erfüllung dieser Verträge sowie für Sach- oder Rechtsmängel der gehandelten Waren aus.
Checkliste: Leistung & Vertragsabwicklung
Leistungen und Funktionen der Plattform exakt beschrieben? (inkl. SLAs wie Verfügbarkeit)
Informationen zu Nebenleistungen (eigene und die der Nutzer) enthalten?
Mechanismus zum Vertragsschluss zwischen Nutzern klar definiert? (Angebot/Annahme)
"Haftungsausschluss" für vermittelte Verträge formuliert?
Pflicht zur Identitäts-Transparenz für Nutzer verankert? (z.B. durch Ermöglichung eines Impressums)
Hier schlägt das Herz der P2B-Verordnung.
Worauf Sie achten müssen:
Ranking-Parameter offenlegen (P2B-VO, Art. 5): Ihre AGB müssen die Hauptparameter beschreiben, die das Ranking von Angeboten in den Suchergebnissen bestimmen. Sie müssen zwar nicht Ihren Algorithmus offenlegen, aber die wesentlichen Einflussfaktoren und ihre relative Gewichtung erläutern (z.B. Preis, Nutzerbewertungen, Aktualität). Wenn Nutzer für eine bessere Platzierung bezahlen können, muss dies und dessen Auswirkung auf das Ranking klar dargelegt werden (z.B. durch Kennzeichnung als "Anzeige" oder "Sponsored").
Bestpreisklauseln begründen (P2B-VO, Art. 10): Wenn Sie Ihre Nutzer daran hindern, ihre Produkte oder Dienstleistungen auf anderen Kanälen (z.B. der eigenen Website) günstiger anzubieten, müssen Sie diese sogenannten "Paritätsklauseln" in den AGB rechtfertigen. Nennen Sie die wichtigsten wirtschaftlichen, geschäftlichen oder rechtlichen Gründe dafür. Achtung: Solche Klauseln stehen oft unter kartellrechtlicher Beobachtung.
Datenzugang regeln (P2B-VO, Art. 9): Klären Sie, auf welche Daten (personenbezogene oder sonstige) die gewerblichen Nutzer Zugriff haben, die bei der Nutzung der Plattform generiert werden. Informieren Sie auch darüber, ob und wie Sie als Betreiber diese Daten nutzen (z.B. für die Erstellung anonymisierter Statistiken für Marketingzwecke).
Zusätzliche Vertriebskanäle: Wenn Sie sich das Recht vorbehalten, die Angebote Ihrer Nutzer auch über andere Kanäle oder Partnerprogramme zu vermarkten, müssen Sie darüber in den AGB informieren.
Praxis-Tipp: Ranking verständlich erklären Beschreiben Sie Ihre Ranking-Faktoren so, dass ein Nutzer die Logik nachvollziehen und sein Verhalten danach ausrichten kann. Beispiel: "Das Ranking unserer Suchergebnisse richtet sich primär nach der Relevanz zum Suchbegriff, den Kundenbewertungen des Anbieters und dem Preis des Angebots. Gegen Entgelt gebuchte Platzierungen werden als 'Anzeige' gekennzeichnet und erscheinen an vorderster Stelle."
Checkliste: P2B-Transparenz
Hauptparameter des Rankings und ihre Wichtigkeit beschrieben?
Einfluss von direkten Entgelten auf das Ranking transparent gemacht?
Regeln zum Datenzugang für Nutzer und die Eigennutzung durch die Plattform definiert?
Bestpreisklauseln (falls vorhanden) nachvollziehbar begründet?
Informationen über zusätzliche Vertriebskanäle (falls genutzt) enthalten
Ein gutes Regelwerk beweist seine Stärke auch im Konfliktfall.
Worauf Sie achten müssen:
Fairer Prozess für Sperrung und Kündigung (P2B-VO, Art. 4): Eine Sperrung oder Kündigung eines Nutzerkontos darf nicht willkürlich erfolgen. Ihre AGB müssen die Gründe dafür benennen. Implementieren Sie einen fairen Prozess:
Begründung: Teilen Sie dem Nutzer die konkreten Tatsachen und Umstände mit.
Fristen: Bei einer vollständigen Kündigung des Kontos müssen Sie dies dem Nutzer in der Regel 30 Tage im Voraus ankündigen. Diese Frist entfällt nur in Ausnahmefällen (z.B. bei gesetzlicher Pflicht oder wiederholten schweren Verstößen).
Stellungnahme: Geben Sie dem Nutzer die Möglichkeit, die Vorwürfe im Rahmen Ihres Beschwerdemanagements zu klären.
Haftung des Plattformbetreibers: Begrenzen Sie Ihre eigene Haftung nach dem in Deutschland geltenden Vorgaben (unbeschränkt bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit; bei leichter Fahrlässigkeit nur für die Verletzung wesentlicher Vertragspflichten und begrenzt auf den vorhersehbaren Schaden). Integrieren Sie zudem den Haftungsausschluss für fremde rechtswidrige Inhalte nach dem DSA (sog. "Safe Harbor"), solange Sie keine positive Kenntnis davon haben.
Freistellungsklausel: Dies ist eine entscheidende Schutzklausel. Verpflichten Sie Ihre Nutzer dazu, Sie von allen Ansprüchen Dritter (inklusive Rechtsverteidigungskosten) freizustellen, die aus Rechtsverstößen des Nutzers auf Ihrer Plattform resultieren (z.B. Urheberrechtsverletzungen).
Internes Beschwerdemanagement & Mediation (P2B-VO, Art. 11 & 12): Sofern Sie nicht unter die Kleinunternehmer-Ausnahme fallen, müssen Sie ein kostenloses und leicht zugängliches internes Beschwerdemanagementsystem für Ihre gewerblichen Nutzer einrichten. Zudem müssen Sie in den AGB mindestens zwei Mediatoren benennen, mit denen Sie bereit sind, Streitigkeiten außergerichtlich beizulegen.
Checkliste: Konfliktlösung & Haftung
Fairer Prozess für Sperrung/Kündigung mit Begründung und Fristen beschrieben?
Rechtssichere Klausel zur Begrenzung der eigenen Haftung integriert?
Freistellungsklausel zum Schutz vor Nutzerverstößen formuliert?
Internes Beschwerdemanagementsystem beschrieben und zugänglich gemacht?
Mindestens zwei Mediatoren für die außergerichtliche Streitbeilegung benannt?
Ratgeber, Muster und Checklisten